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Asien-Orient-Institut UFSP Asien und Europa (2006–2017)

Von schnellem Geld und dauerhaften Bindungen: Schweizer im kolonialen Südostasien, 1860–1930

Verantwortlich für das Dissertationsprojekt: Dr. Andreas Zangger (Dissertation 2010)
Finanzierung: UFSP Asien und Europa
Projektdauer: März 2006 – Februar 2009
Betreuer: Prof. Dr. Jakob Tanner

Abstract

"The elephant steamer" - eine der zahlreichen gebräuchlichen Marken im Handel mit europäischen Textilien in Südostasien
Meine Arbeit behandelt die Geschichte von Schweizern, die im Rahmen der ersten Globalisierung von Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre in Südostasien tätig waren und einer Tätigkeit in Handel, Plantagenkultur und angewandter Wissenschaft nachgingen. Die Untersuchung geht von folgender Fragestellung aus: Wie partizipieren Personen aus der Schweiz an der kolonialen Wirtschaft und Gesellschaft in Südostasien und welche Rolle spielt ihre schweizerische Nationalität dabei? Mit dieser Fragestellung werden die vielschichtigen und dynamischen Prozesse von Zugehörigkeit und Identifikation angesprochen. Schweizer sind als weisse Europäer Teil des kolonialen Systems und mithin an der Ausarbeitung der Regeln in diesem System beteiligt; als Angehörige einer Nicht-Kolonialmacht versuchen sie, eigene Netzwerke zu etablieren und sich als Scharnier zwischen den Briten und Niederländer zu positionieren; und individuell verfolgen sie Karrieren, die auf ihr Herkunftsland hin orientiert sind. Die Tätigkeit von Schweizern steht somit im Spannungsfeld zwischen individuellen Aufstiegschancen, Partizipation am kolonialen System und der Etablierung von nationalen Netzwerken. Im transnationalen Wirtschaftsraum zwischen Singapur, Penang und der Ostküste von Sumatra gelingt es Schweizern besonders gut, den Ansprüchen disparater Rollen gerecht zu werden. Die Arbeit trägt zu einer Globalgeschichte aus Schweizer Sicht bei, indem sie migrations- und wirtschaftsgeschichtliche Ansätze verbindet und Quellen aus Archiven der Kolonialmächte und in Südostasien in die Untersuchung einbezieht. Sie schliesst eine Lücke in der Schweizer Migrationsgeschichte. Die Geschichte von Schweizern in Asien ist generell wenig und in Südostasien kaum bearbeitet. Da die südostasiatischen Länder keine Siedlungskolonien (wie die USA, Brasilien oder Australien) waren, ist die Migration dahin stark auf die Rückkehr ausgerichtet. Schweizer in Südostasien verstehen sich eher als 'im Ausland Lebende' denn als Auswanderer. Die Untersuchung arbeitet die Wirkungsweise des Migrationsentwurfs 'im Ausland Leben' und die damit verbundenen Haltungen gegenüber dem Zielland und Institutionen der Identitätsbildung heraus und leistet damit einen Beitrag zur terminologischen Schärfe in der Migrationsgeschichte. In wirtschaftshistorischer Hinsicht fokussiert die Arbeit auf Schweizer Kaufleuten in ihrem kolonialen Umfeld, und versucht damit ein Blick von aussen auf die Schweizer Volkswirtschaft aus der Perspektive dieser wichtigen Gruppe zu werfen. Gleichzeitig versucht die Arbeit ein Selbstverständnis von Schweizer Kaufleuten, das mit dem Migrationsentwurf 'im Ausland Leben' in Verbindung steht, kritisch zu hinterfragen: Die Schweizer Wirtschaft ist überall auf der Welt präsent, Schweizer sind nicht für die Regeln in der Welt draussen verantwortlich, und die Welt draussen hat keine Auswirkungen auf die Denk- und Lebensweise von Schweizern im Ausland. Durch die Verbindung von Migrationsgeschichte und Wirtschaftsgeschichte und durch den Einbezug von Quellenmaterial in ausländischen Archiven wird dieses Selbstverständnis hinterfragt und damit die Migrationsgeschichte näher an die Schweiz und die Wirtschaftsgeschichte näher zu Südostasien gebracht. Schliesslich antwortet die Arbeit auf aktuelle Fragestellungen der 'Global Governance'. Die Schweiz war keine Kolonialmacht. Und gerade deshalb ist das Verhalten von Schweizer Migranten und Unternehmen in Kolonialgebieten strukturell moderner angelegt. Die Arbeit untersucht im Detail betrachtet, wie Schweizer mithin an der Ausarbeitung von Regeln und in die koloniale Praxis involviert waren. Die Netzwerke von Schweizern im kolonialen Südostasien haben ihre Wurzeln im Milizsystem, sind insbesondere in ihrer Funktion als Drehscheibe für die Schweizer Wirtschaft von Bedeutung und finden im Konsularwesen ihre offizielle Anbindung an die Schweiz. Damit leistet die Arbeit generell einen Beitrag zur Diskussion über die Stabilität von sozialen und unternehmerischen Netzwerken. .