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Asien-Orient-Institut UFSP Asien und Europa (2006–2017)

Der Bildungsroman in der Hongkonger Literatur der 1950er Jahre

Verantwortlich für das Dissertationsprojekt: Virginia Yee-Yarn Leung, M.A.
Finanzierung: UFSP Asien und Europa (September 2012 – August 2013) / Schweizerischer Nationalfonds (Mai 2014 – Dezember 2016)
Promotionskommission: Dr. Mary Wong, Lingnan University, Hong Kong
Forschungsfeld: Verflechtungsgeschichten

Abstract

Unter den infolge von Kriegen und politischen Wirren seit den 1940er Jahren vom Festland nach Hongkong immigrierenden Flüchtlingen befanden sich Intellektuelle und Schriftsteller, welche zur Bildungselite Chinas gehörten. Sie lancierten in der Kolonialstadt mit der Gründung von Verlagen und der Herausgabe von Zeitungen und Zeitschriften eigene kulturelle und politische Diskurse, die ein diasporisches Bewusstsein ihrer chinesischen Einwohner reflektierten. Somit stellen die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts eine wichtige Periode in der literarhistorischen Entwicklung Chinas und Hongkongs dar. In der Forschungsliteratur werden diese Schriftsteller als "Southbound literati" bezeichnet.

Der Fokus des vorliegenden Projekts ist die Stadt Hongkong in den 1950er Jahren und deren Autoren, die während dieser Zeit dorthin flüchteten und die kulturell-literarische Entwicklung der Stadt substantiell mitgestalteten. Den Untersuchungsgegenstand bilden die Erzählungen der "Southbound literati", die unter dem Aspekt des europäischen Genres "Bildungsroman" analysiert werden. Des Weiteren wird das Motiv der Reise in diesen Werken als "Bildungsreise" verstanden und als Vergleichsparameter herangezogen.

Die literarische Bearbeitung ihrer Erfahrungen, die in der Auseinandersetzung mit den Widersprüchen angesichts der zu bewältigenden kulturell-gesellschaftlichen Differenzen ihren Ausdruck findet, wird zum Leitmotiv in diesen Werken. Ferner wirft das Projekt Fragen auf bezüglich der Initiation dieser Protagonisten: Wie werden die existenziellen Probleme der Figuren in den zu besprechenden Werken ausgehandelt? Sind das Heranreifen und die adoleszente Entwicklung unter solch gegebenen Umständen nicht zum Scheitern verurteilt? Angesichts des harten Kampfes um das Überleben am unteren Ende Hongkongs urbanisierter Gesellschaft zeigen die Hongkonger Erzählungen eine Initiation, welche in die gegenläufige Richtung geht, und sie vermitteln das Exempel eines negativ besetzten Genrekonzepts des Bildungsromans ("novel of reverse formation").

Von dem Konzept des traditionellen europäischen Bildungsromans ausgehend, würde sich damit in den Hongkonger Romanen der 1950er Jahre eine Entwicklung des Typus Bildungsroman abzeichnen, so die These der Forschungsarbeit, in dem die Figur den Prozess ihrer Subjektwerdung nicht erfolgreich bzw. nicht in der vom Genre vorgegebenen Weise nachvollziehen kann.